Hass im Netz: „Wir alle sind dafür verantwortlich“
Hass im Netz hat in den vergangenen Jahren auch in Österreich deutlich an Aufmerksamkeit gewonnen. Im Interview mit BuzzValue spricht pädagogischen Leiterin Barbara Buchegger von Saferinternet.at über die Entwicklung von Hass im Netz, wer am stärksten davon betroffen ist und was wir zukünftig dagegen tun können.
Wien, im Februar 2023. – Im Rahmen vom Safer Internet Day haben sich die Social Media-Marktforscher:innen von BuzzValue mit der pädagogischen Leiterin Barbara Buchegger von Saferinternet.at zusammengesetzt und fünf Fragen zu Hass im Netz gestellt:
1. Wie hat sich Hass im Netz und die Aufmerksamkeit rund um das Thema in Österreich entwickelt?
Hass im Netz ist schon lange ein Thema der österreichischen Innenpolitik. Aus meiner Wahrnehmung – und ich beschäftige mich in erster Linie mit Kindern und Jugendlichen – aber eher in der Erwachsenenwelt. Bei Kindern und Jugendlichen war bisher eher das Thema „Cybermobbing“ präsent. Ich sage also nicht, dass Jugendliche Engerl sind. Sie wissen ganz genau wie man online entsprechend Hass gegen bestimmte Personen verbreitet. Aber dieses allgemeine, nicht auf bestimmte Personen gerichtete Verbreiten von negativen Kommentaren war nicht eine Sache der Jugendlichen. Das hat sich erst in der Pandemie so entwickelt. Erst da wurden immer mehr Hasskommentare auch von Jugendlichen in den sozialen Netzwerken, wie z.B. TikTok, verfasst. Leider ist es auch schon ein bisschen Mainstream geworden, dass man so schreibt. Das haben zum Teil auch wirklich schon ganz junge Kinder von den Erwachsenen gelernt.
2. Welche Personengruppen sind Ihrer Meinung nach von Hass im Netz am stärksten betroffen?
Ich glaube das kann man gar nicht so sagen. Betroffen sind diejenigen, die es wahrnehmen. Das heißt aber nicht, dass es nicht auch andere wahrnehmen könnten. Viele blenden es jedoch aus. Das ist etwas, das ich bei Jugendlichen oft beobachte. Sie schauen weg und nehmen es oft gar nicht wahr bzw. wollen sie es auch gar nicht wahrnehmen. Es ist Teil des Alltags geworden. Dabei geht es gar nicht um „Ich will nichts dagegen tun.“, sondern „Ich seh’s nicht mal“. Diejenigen die es betrifft – die also tatsächlich Opfer von Hasspostings sind – sind jene, die als Person etwas anders sind als der Rest. Es sind jene, die sich viel online beteiligen, von denen viel online ist und die sich daher auch angreifbar machen. Hier sehe ich aber auch das Problem! Oft werden Jugendliche durch den Hass mundtot gemacht.
3. Welche Rolle spielt Ihrer Einschätzung nach die Trendplattform TikTok hinsichtlich Hass im Netz?
Ich glaube TikTok spielt insofern eine spezielle Rolle, weil sich dort im Moment Jugendliche sehr gerne aufhalten und viel Zeit verbringen. Es ist ein Ort des „digitalen Abhängens“. Daher spielt die Trendplattform im Bereich der Jugendlichen auch bezüglich Hass im Netz sicher eine große Rolle. Ich glaube aber nicht, dass es auf TikTok schlimmer zugeht als auf anderen Plattformen. Auch in den Gesprächen mit Jugendlichen, die ich immer wieder führen kann, sagen sie eigentlich „Das ist auf Instagram genauso“ oder „Auch auf Snapchat passiert das“. Ich glaube also nicht, dass es auf eine Plattform beschränkt ist, sondern eher dort hinfällt, wo viele Menschen aktiv sind, die als „anders“ gelten. Die Personen, die polarisierende Meinungen von sich geben und durchaus auch auffallen.
4. Wer trägt aus Ihrer Sicht die Verantwortung gegen Hass im Netz vorzugehen (Plattformen, Politik, etc.)?
Es ist sicher eine Mischung aus mehreren Verantwortlichen. Wenn man es als gesellschaftliches Phänomen ansieht und in Betracht zieht, dass Hass im Netz einfach schon Mainstream geworden ist, tragen wir alle die Verantwortung dafür. All jene, die Hasskommentare im Netz verbreiten. Die Politik, die nicht die entsprechenden Rahmenbedingungen setzt. Die Polizei, die nicht dagegen vorgeht. Die Lehrer:innen, die in der Klasse nicht das entsprechende Klima schaffen. Eltern, die mit abwertenden Bemerkungen anderen Familienmitglieder entgegnen und letztendlich die Plattformen die nicht entsprechend gut reagieren.
5. Welche Schritte können bzw. sollten gesetzt werden, um Hass im Netz künftig bestmöglich einzudämmen?
Vor ein paar Wochen habe ich über diese Frage mit ein paar Jugendlichen aus ganz Europa diskutiert und die Antworten waren sehr klar: Da braucht es gesetzliche Rahmenbedingungen. Ich glaube aber auch, dass es viel mehr Bewusstseinsbildung braucht und viel mehr Diskussionen in Schulen darüber. Wie schaffen wir ein wertschätzendes Klima? Wie können wir Umgangsformen entwickeln, die freundlich und angenehm sind? Ich persönlich erlebe da im Moment eher das Gegenteil. Der Druck ist überall so stark, dass diese freundliche und wertschätzende Atmosphäre an allen Ecken und Enden fehlt. Da ist es auch kein Wunder, dass es diese Ausdrucksformen gibt. Irgendwo muss das Ventil raus. Ich glaube daher, wir müssten damit anfangen, wieder ein gesellschaftliches Umfeld schaffen, wo es ein aufeinander zugehen und Wertschätzung gibt. Ein Umfeld, wo es Akzeptanz des anderen gibt.
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